Bandgeschichte „Satori“      Text  Michael Barth 23.02.2008                                                              
bis zu den Anfängen der " Wanderer"
                                          Copyright by Michael Barth

"Satori" ist ein Teil Ostrock-Geschichte, die im Süden der damaligen 
DDR statt fand und die nur den Fans dieser Gruppe bekannt sein dürfte. 
Die damaligen Medien waren daran nicht interessiert, dafür bekamen 
wir reichlich Aufmerksamkeiten und Sympathien unserer Fans zu spüren,
die unsere wöchentlichen Auftritte besuchten und uns nachreisten. Es war
eine tolle Zeit!

Es gab drei Epochen dieser Band.

 

Satori (1)
Hervorgegangen aus dem „Forte Quintett“
 

-Erster Auftritt im Juli 1970 im Speisesaal der Strumpffirma „Albin Keller „ in Auerbach/ Erzg.
Der Speisesaal war immer der Proberaum der Band von „Satori“   bis zu den „Wanderern“
 

-Gespielt wurde  Blues, z.B. von John Mayall, Eric Burdon und Folk Songs von Bob Dylan.
Einsatz von Violine und Kesselpauken bei  Eigenkompositionen wie z.B. „Die Rebellion
der Gehenkten“ nach dem Buchtitel von B. Traven.

-Musiker: Stefan Gerlach lead voc, Michael Barth lead git, p, Christoph Rottloff git, f,
Karl Schindler dr, Thomas Weisbach b, Klaus Kretschmar v, perc, Dieter Groß, Manager.

 

Verbote der Band gab es nicht. Allerdings gab es Absagen, Zitat wörtlich:

      Im Auftrag der FDJ Leitung muss ich euch leider kündigen für die Termine...  
    da ihr nicht im Sinne unserer sozialistischen Kulturpolitik aufgetreten seit.
    Sowie die niveauvolle und gepflegter Tanzmusik nicht erfüllt habt.

Freundschaft!    26.02.1971
(Stempel) Freie Deutsche Jugend DGO „Kurt Zierold“ 9528 Vielau 1. FDJ Sekretär.

 

Diese Absage liegt noch im Original vor.  

-Die Band bestand bis April 1971. Michael Barth wurde zur NVA einberufen. Damit fehlte
der Leadgitarrist. Des weiteren wurde Karl Schindler auf Grund eines Republikfluchtversuchs
in Ungarn festgenommen.
  Bis November 1972  wurden wenige Auftritte von den verbliebenen
Mitgliedern der Band bestritten.

 

Satori (2)

-Ab November 1972. Erster Auftritt am 16.03.1973 in Merzdorf im „Weißen Hirsch“

-Letzter Auftritt im „Amorsaal“ in  Mülsen am 19.05.1974. Stefan Gerlach und Wolfgang
Schneider, die beiden Frontmänner, verließen die Band.  

-In die Musik kamen mehr Elemente des Rock, wie der Einsatz einer Orgel, aber auch
mehr Folksongs von Dylan und eigene Titel in englischer Sprache. Die beiden Sänger
Stefan Gerlach und der neu hinzu gekommene Wolfgang Schneider waren die tragenden
Elemente dieser Formation.  

Musiker: Stefan Gerlach lead voc, Wolfgang Schneider lead voc, organ, git,
Michael Barth lead git, organ, Christoph Rottloff git, fl, Karl Schindler dr,
Achim Pöschel dr, Thomas Weisbach b, Mantalla Kulibali perc, Fredy Lieberwirth Manager. 

Verbote der Band gab es nicht. Karl Schindler, 71 politisch inhaftiert, kam durch  eine
Generalamnestie im Januar 73 frei und spielte ohne Spielerlaubnis wieder in der Band
mit.
Bei einem Auftritt gab es eine Kontrolle der Band durch das Volkspolizei Erlaubniswesen
des Kreises Stollberg. Wir wurden dann zu einer Aussprache geladen. Dort wurde uns eine
Strafe von 300,- Mark der DDR aufgebrummt. Man gab uns zu verstehen, das ein
Republikflüchtiger keine Spielerlaubnis bekommen würde.

Ein Höhepunkt in dieser Zeit war sicherlich der Auftritt im damaligen Karl-Marx-Stadt
im Kino „Luxorpalast“ mit der Berliner „College Formation“. Es sang Toni Grahl, später
dann bei City. Wie ich gehört habe, erinnert sich Toni noch an diesen Auftritt. Satori kam
sehr gut im ausverkauften „Luxorpalast“ an. In der Pause trat ein Mann mit Gitarre auf,
Gerulf Pannach. Die Fans, die nach draußen wollten, um eine Zigarette zu rauchen, drehten
um als sie die Texte von Pannach hörten und begriffen. Öffentliche Kritik am Alltag der DDR
und somit Kritik an der Partei. Das waren die Menschen in der DDR nicht gewöhnt. Das
Konzert wurde von einem Freund mitgeschnitten. Die Stasi hat das Band eingezogen und
auch, so wie ich erfuhr, gegen Pannach benutzt.
 

S    Satori (3)

-Erster Auftritt am 04.10.1974 in Burkhardtsdorf in der „Sonne“.

-Letzter Auftritt in Limbach- Oberfrohna in der „Parkschänke“, am 31.07.1977.
Die Band bespielte den ganzen Süden der  DDR, von Weimar über Leipzig bis Dresden
viele bekannten Säle und Studentenclubs.
 

Musiker: Wilfried Opitz voc, Michael Barth lead git, organ, mandoline voc,
Wolfgang Moschner lead git, voc, Christoph Rottloff git, fl, voc, Thomas Weisbach b,
Achim Pöschel dr, Jan Pundsack dr, Reinhard Greim violine voc, Fredy Lieberwirth Manager.
 

Satori 3 war sicher die erfolgreichste Band dieser drei Epochen.

Der Anfang war sehr schwer, weil die beiden o.g. Frontmänner fehlten. Der neue Sänger war
Wilfried Opitz, den  keiner kannte. Stilistisch spielten wir mehr Folk Rock. Der Durchbruch kam,
als wir begannen Cat Stevens Titel nachzuspielen. Wir waren sicher die erste Band im Süden,
die dies tat. Es war ja immer ein Problem, an Aufnahmen aus dem „Westen“ ran zu kommen.
Ich hatte durch meine Armeezeit einen Freund in Berlin, Wolfgang Hofer,  der mir diese LP`s auf Band zu kommen
ließ. Dann wurde das Gehörte rausgeschrieben, denn ohne Arrangement ging es bei Stevens
nicht mehr. Dies brachte sicher die Band auch musikalisch weiter. 
Es war ein Musikmix, der in verschiedenen Blöcken gespielt wurde. Cat Stevens, irish Folk
mit Mandoline, Geige und Flöte, Country und sogar vor Klassik-Adaptionen machte Satori 3 nicht halt. Die Band-Stilfrage war uns nicht so wichtig.
Es war  Mode Art Rock zu spielen und für jeden Musiker eine Herausvorderung. Wir spielten das 3. Brandenburgische Konzert von Bach
oder Themen aus dem D-Dur Klavierkonzert von Haydn. Das machte uns viel Spaß und begeisterte die Leute.

Ab 1975 hatten wir allerorts Probleme mit dem enormen Zulauf unserer Fans. Einerseits 
war es ein tolles Gefühl so gut anzukommen und nur in vollen Sälen zu spielen. Andererseits
war es eine enorme Belastung dies ohne Hilfe durch zu stehen. Höhepunkte der Fan „Attacken“
waren  der Studentenclub Kasseturm Weimar 1976, Oederan und in Annaberg 1977 das
Jugendclubhaus Karl Marx.

 

Ein paar Eindrücke  bei unseren Auftritten aus meiner persönlichen Sicht geschildert.  

In Weimar wurde der  Studentenclub Kasseturm ab Samstag Nachmittag regelrecht
von Hunderten von Trampern belagert. Viele Studenten ahnten vielleicht den Stress, den es
am Abend dann auch gab und verkauften ihre Karten noch an die wartenden Fans. Diese
hatten somit eine Eintrittskarte zum Club, die  für Nichtstudenten aber nicht galt. Gegen 18.00 Uhr
wurde die massive Holztür im Kellergewölbe eingetreten, ein Barkeeper, der mit uns die Tür von
innen hielt, wurde durch ein Wurfgeschoss am Kopf schwer verletzt und musste ins Krankenhaus 
gebracht werden. Die Bereitschaftspolizei mit Hunden klärte dann das Kampffeld. Wir spielten 
nicht und hatten einen frustrierenden Abend an der Bar im Keller des Kasseturms.  Ein Vorfall an 
der Hochschule in Weimar. Die Nachricht ging bis nach ganz oben, nach Berlin. Das konnte es 
einfach in einem sozialistischen Staat nicht geben.
 

In Oederan war eine riesige Menge an Fans versammelt. Wir fuhren vor mit Wolga und Hänger und
VW Bus. Als wir noch im Auto saßen, schauten die Fans zum Fenster hinein.  
Das werde ich nie vergessen, - ich dachte, wie in einem Aquarium zum Beschau. Dann wurde
ohne unserem Zutun von unseren Fans die Plane vom Hänger entfernt und die gesamte Anlage
mit Instrumenten bewegte sich in Wellen auf den Schultern und Köpfen der Menge zum Eingang
des Saals zu. Jeder ohne Karte dachte, damit kommst du rein. Damit hatten sie Recht. Nicht ein
Teil der Anlage fehlte dann beim Aufbau. Beim Beginn des Abends standen mindestens noch so
viele Leute draußen als drinnen im Saal waren. Die Tür hielt den Andrang nicht ab und
ging in Trümmern. Die Folge davon war ein total überfüllter Saal. Da es vor der Eingangstür
schlammig und nass war, trocknete dies schnell und im Saal war ein unglaublicher Dreck und Staub
in der Luft, der sich dann auf allen Gegenständen niederließ. Dreck ohne Ende. Einzelne Fans
mussten medizinisch versorgt werden, weil der Kreislauf versagte. Uns auf der Bühne ging es
ähnlich schlecht. Wir waren dieser Situation einfach nicht gewachsen, haben aber das Beste
draus gemacht und durchgespielt. Diese Szenen wiederholten sich bei unseren Auftritten.
 

In Annaberg, das Jugendclubhaus „Karl Marx“ wurde regelrecht samstags ab dem frühen
Nachmittag belagert, Keller- und Toilettenfenster wurden eingetreten, das Hausmeisternebengelass
wurde gestürmt um rein zu kommen. Als wir ankamen, sahen wir keine Chance, ohne größere
Konflikte diesen Abend bestreiten zu können. Es war so nicht möglich. Der Veranstalter bat uns
wieder abzufahren, um „schlimmeres“ zu vermeiden. Wir fuhren wieder heim ohne zu spielen.
Dies verstanden unsere Fans nicht und begannen danach erst richtig Randale zu machen.
 

Vom Amt, Kreis- oder Bezirkskabinett, Erlaubniswesen der Polizei gab es nur Anfragen, warum
so viele Leute unsere Konzerte und Tanzabende besuchen und wie wir das ändern könnten,
d.h. im Klartext, wir sollten das abstellen. Vom Amt kamen keine Vorschläger zur besseren 
Organisation der Tanzabende. Das war absurd.  Wir waren doch sehr froh über diese Resonanz. 
Aber wir, als Band, waren damit völlig überfragt und überfordert. Fredy Lieberwirth und ich wurden 
zu Foren geladen, wie z.B.im Kreis Stollberg Erlaubniswesen oder zur Werkstattwoche Tanzmusik 
in Karl Marx-Stadt wo wir nach dem Warum und Weshalb dieser Fantreff-Attacken bei Satori befragt
 wurden. Was sollten wir dazu sagen? 

In Karl–Marx-Stadt zur Werkstattwoche der Tanzmusik hatte man uns beide geladen.
Nach dem Frage und Antwortspiel im Forum gab Fredy bekannt, dass es „schwarze Listen“
von unbeliebten  Bands im Bezirk Karl-Marx-Stadt gibt. Das war ein Eklat! Danach gab es im
Forum keine Fragen mehr, wir waren entlassen! Die Listen gab es wirklich. Satori stand mit
einigen anderen Bands auf dem Index. Die Veranstalter wurden mit Auflagen belastet, die sie
nur schwer erfüllen konnten. Eine Ordnungsgruppe von 25 Männern sollte gestellt werden,
oder man setzte die Saalkapazität halt von 400 auf 150 Personen herunter, was sich dann
für den Veranstalter nicht rechnete, oder man erfand neue Richtlinien. Satori musste
verschwinden. Ein offizielles Verbot wollte der Staat nicht riskieren, da man nach außen in
den 70igern eine offenere Kulturpolitik betrieb als zu Ulbrichts Zeiten. Doch es gab
Auftrittsverbote in einzelnen Kreisen, wie z.B. im Kreis Annaberg. Ausgesprochen vom
Erlaubniswesen, auf Grund der o.g. Vorfälle.

Die Kulturkabinette, im Kreis und  Bezirk drückten sich vor der offiziellen
Verantwortung, in dem man einfach eine andere Band  zur Werkstattwoche der Tanz- und
Unterhaltungsmusik nach Suhl im Oktober 1976 als Vertreter des Bezirkes Karl-Marx-Stadt
schickte, obwohl Satori zu dieser Zeit sicher die zugkräftigste Band im Bezirk war.

Es fuhr die völlig unbekannte Gruppe „Quirl“, später in „Dialog“ umbenannt. Sie wurde
drei bis vier Wochen vor der Werkstattwoche von der FDJ gecastet und als Vertreter des
Bezirkes geschickt. 

Diese Maßnahmen zeigten dann auch in der Band Wirkung. Wir waren von alldem
genervt und am Ende dann zerstritten. Nach dem letzten Auftritt in Limbach Oberfrohna
in der Parkschänke, am 31.07.1977, löste sich Satori auf. Der Saal glich einem einzigen
Schlachtfeld und Scherbenhaufen. Auf dem Bühnenrand vorne zentimeterhoch zersplitterte
Biergläser, zerbrochen beim Rhythmusklopfen auf dem Bühnenrand. Im Saal das gleiche Bild.
Fredy Lieberwirth musste im Kreiskabinett alle Stempel, Registrierkarten, Unterlagen, alles was
offiziell an Satori erinnerte, abgeben. Die Band, den Namen Satori, sollte es nie wieder geben.
 

Natürlich wollten wir alle weiter Musik machen. Zwei Bands wurden gegründet.
Fredy Lieberwirth gründete „Gipsy“ ( 20.11.1977 ) mit Wilfried Opitz und Achim Pöschel.
Der andere Teil, Michael Barth, Reinhard Greim, Thomas Weisbach und Wolfgang Moschner
gründeten die „Wanderer“.( Herbst 1977, erster Auftritt im Februar 1978)

 

Die „Wanderer“

„Wanderer“ spielten von Herbst  1977 bis Sommer 1989.

Die Musik war hauptsächlich Folk auf Mandoline, Geige, Flöte und akustischer Gitarre gespielt,
am Anfang ohne Drum. Später kam ein Drummer dazu. Das Instrumentarium wurde mit einem
 „Fender Rhodes Piano“ erweitert. Es wurde Folkrock gespielt. Viele eigene Titel aber auch Songs
von Simon & Garfunkel und Chris de Burgh waren im Repertoire.
 

Musiker: Reinhard Greim voc, Violine, Akkordeon, perc,
Michael Barth, lead git, Mandoline, p, Akkordeon ,
Christoph Rottloff git, fl, voc, Thomas Weisbach b  Wolfgang Moschner git voc.
(Wolfgang verließ die Wanderer nach einem Jahr )
Später kamen dazu: Martin Ruppert b voc, Uwe Schäf dr und Klaus Drechsler voc g.
Technik: Frank Glänzel  und Michael Hösel. 

Unser neues musikalisches Tun wurde von den offiziellen Ämtern sehr genau beobachtet,
denn ein zweites Satori sollte es nicht geben. Sämtliche Termine der „Wanderer“ mussten  
im Vorfeld beim Erlaubniswesen im Kreis Stollberg gemeldet werden, um mit den o.g.
Maßnahmen weiter gegenzusteuern. Diese zeigten Wirkung. Es wurde etwas ruhiger bei
den Auftritten. Allerdings kamen noch genug Leute, um weiter im Fokus der Ämter zu sein.
Vor allem war neu, „Wanderer“ waren politisch engagiert, was sich in den Texten widerspiegelte.
Die Texte behandelten Themen wie den Umweltschutz, ( verseuchte Luft im Erzgebirge,
Bäumesterben durch Smok aus der CSSR) Antikriegs- und Antisoldatenlieder, ( alte Volkslieder
„Ich bin Soldat, doch bin ich es nicht gerne“, „Die Gedanken sind frei“ ) und eigene Songs mit
kritischem Text. („Politiker“, „So wie die“) Da gab es ein neues Problem für die Kreis- und
Bezirkskabinette. Die Band wurde von der Stasi in einem sogenannten Operativen Vorgang
von 1978 bis 1988 beobachtet.  Das begann, als die „Wanderer“ 1978 beim Kirchenfestival
„June78“ in Rudolstadt spielten. "June 78" war so etwas wie ein „Woodstock" in der DDR.

Über diese Bands, die diese DDR Szene belebten, und selten oder gar nicht
in den Medien erwähnt wurden, gibt es jetzt ein Buch. Ich kann es nur
empfehlen, es ist gut geschrieben.

"Geschlossene Gesellschaft"
Die DDR-Rockmusik zwischen Linientreue und Nonkonformismus
von Robert Winter
GRIN- Verlag München

Wenn jemand noch eine Erinnerungsgeschichte mit Veröffentlichkeitswert zum
Besten geben möchte, bitte schreibt mich an. Wenn´s "rein passt", bin ich gerne bereit,
das hier auf meiner Seite zu veröffentlichen. Also kramt mal in euren Erinnerungen...

Bilder folgen.....