Satori (1)
Hervorgegangen aus dem „Forte Quintett“
-Erster Auftritt im Juli 1970 im Speisesaal der
Strumpffirma „Albin Keller „ in Auerbach/ Erzg.
Der Speisesaal war immer der Proberaum der Band von „Satori“
bis zu den „Wanderern“
-Gespielt wurde
Blues, z.B. von John
Mayall, Eric Burdon und Folk Songs von Bob Dylan.
Einsatz von Violine und Kesselpauken bei Eigenkompositionen wie z.B. „Die
Rebellion
der Gehenkten“ nach dem Buchtitel von B. Traven.
-Musiker: Stefan Gerlach lead voc, Michael Barth lead git, p, Christoph
Rottloff git, f,
Karl Schindler dr, Thomas Weisbach b, Klaus Kretschmar v, perc, Dieter Groß,
Manager.
Verbote der Band gab es nicht. Allerdings gab es
Absagen, Zitat wörtlich:
Im Auftrag der FDJ Leitung
muss ich euch leider kündigen für die Termine...
da ihr nicht im Sinne unserer
sozialistischen Kulturpolitik aufgetreten seit.
Sowie die niveauvolle und gepflegter Tanzmusik nicht erfüllt habt.
Freundschaft!
26.02.1971
(Stempel) Freie Deutsche Jugend DGO „Kurt Zierold“ 9528 Vielau 1. FDJ Sekretär.
Diese Absage liegt noch im Original vor.
-Die Band bestand bis April 1971. Michael Barth wurde
zur NVA einberufen. Damit fehlte
der Leadgitarrist. Des weiteren wurde Karl Schindler
auf Grund eines Republikfluchtversuchs
in Ungarn festgenommen. Bis
November 1972 wurden wenige
Auftritte von den verbliebenen
Mitgliedern der Band bestritten.
Satori (2)
-Ab November 1972. Erster Auftritt am 16.03.1973 in Merzdorf im „Weißen Hirsch“
-Letzter Auftritt im „Amorsaal“ in
Mülsen am 19.05.1974. Stefan Gerlach und Wolfgang
Schneider, die beiden Frontmänner, verließen die Band.
-In die Musik kamen mehr Elemente des Rock, wie der
Einsatz einer Orgel, aber auch
mehr Folksongs von Dylan und eigene Titel in englischer Sprache. Die beiden Sänger
Stefan Gerlach und der neu hinzu gekommene Wolfgang Schneider waren die
tragenden
Elemente dieser Formation.
Musiker: Stefan Gerlach lead voc, Wolfgang
Schneider lead voc, organ, git,
Michael Barth lead git, organ, Christoph Rottloff git, fl, Karl Schindler dr,
Achim Pöschel dr, Thomas Weisbach b, Mantalla Kulibali perc, Fredy Lieberwirth
Manager.
Verbote
der Band gab es nicht. Karl Schindler, 71 politisch
inhaftiert, kam durch eine
Generalamnestie im Januar 73 frei und spielte ohne Spielerlaubnis wieder in der
Band mit.
Bei einem Auftritt gab es eine Kontrolle der Band durch das Volkspolizei
Erlaubniswesen
des Kreises Stollberg. Wir wurden dann zu einer Aussprache geladen. Dort wurde
uns eine
Strafe von 300,- Mark der DDR aufgebrummt. Man gab uns zu verstehen, das ein
Republikflüchtiger keine Spielerlaubnis bekommen würde.
Ein
Höhepunkt in dieser Zeit war sicherlich der Auftritt im damaligen
Karl-Marx-Stadt
im Kino „Luxorpalast“ mit der Berliner „College Formation“. Es sang Toni Grahl, später
dann bei City. Wie ich gehört habe, erinnert sich Toni noch an diesen Auftritt.
Satori kam
sehr gut im ausverkauften „Luxorpalast“ an. In der Pause trat ein Mann mit
Gitarre auf,
Gerulf Pannach. Die Fans, die nach draußen wollten, um eine Zigarette zu
rauchen, drehten
um als sie die Texte von Pannach hörten und begriffen. Öffentliche Kritik am
Alltag der DDR
und somit Kritik an der Partei. Das waren die Menschen in der DDR nicht gewöhnt.
Das
Konzert wurde von einem Freund mitgeschnitten. Die Stasi hat das Band eingezogen
und
auch, so wie ich erfuhr, gegen Pannach benutzt.
S
Satori (3)
-Erster Auftritt am 04.10.1974 in Burkhardtsdorf in der
„Sonne“.
-Letzter
Auftritt in Limbach- Oberfrohna in der „Parkschänke“, am 31.07.1977.
Die Band bespielte den ganzen Süden der DDR,
von Weimar über Leipzig bis Dresden
viele bekannten Säle und Studentenclubs.
Musiker:
Wilfried Opitz voc, Michael Barth lead git, organ, mandoline voc,
Wolfgang Moschner lead git, voc, Christoph Rottloff git, fl, voc, Thomas
Weisbach b,
Achim Pöschel dr, Jan Pundsack dr, Reinhard Greim violine voc, Fredy
Lieberwirth Manager.
Satori 3 war sicher die erfolgreichste Band dieser
drei Epochen.
Der
Anfang war sehr schwer, weil die beiden o.g. Frontmänner fehlten. Der neue Sänger
war
Wilfried Opitz, den keiner kannte.
Stilistisch spielten wir mehr Folk Rock. Der Durchbruch kam,
als wir begannen Cat Stevens Titel nachzuspielen. Wir waren sicher die erste
Band im Süden,
die dies tat. Es war ja immer ein Problem, an Aufnahmen aus dem „Westen“ ran
zu kommen.
Ich hatte durch meine Armeezeit einen Freund in Berlin, Wolfgang Hofer, der mir diese LP`s auf
Band zu kommen
ließ. Dann wurde das Gehörte rausgeschrieben, denn ohne Arrangement ging es
bei Stevens
nicht mehr. Dies brachte sicher die Band auch musikalisch weiter.
Es war ein Musikmix, der in verschiedenen Blöcken gespielt wurde. Cat
Stevens, irish Folk
mit Mandoline, Geige und Flöte, Country und sogar vor Klassik-Adaptionen machte
Satori 3 nicht halt. Die Band-Stilfrage war uns nicht so wichtig.
Es war Mode
Art Rock zu spielen und für jeden Musiker eine Herausvorderung. Wir spielten das 3. Brandenburgische Konzert von
Bach
oder Themen aus dem D-Dur Klavierkonzert von Haydn. Das machte uns viel Spaß und begeisterte die Leute.
Ab 1975 hatten wir allerorts Probleme mit dem enormen
Zulauf unserer Fans. Einerseits
war es ein tolles Gefühl so gut anzukommen und nur in vollen Sälen zu spielen.
Andererseits
war es eine enorme Belastung dies ohne Hilfe durch zu stehen. Höhepunkte der
Fan „Attacken“
waren der Studentenclub Kasseturm
Weimar 1976, Oederan und in Annaberg 1977 das
Jugendclubhaus Karl Marx.
Ein paar Eindrücke
bei unseren Auftritten aus meiner persönlichen Sicht geschildert.
In
Weimar wurde der Studentenclub
Kasseturm ab Samstag Nachmittag regelrecht
von Hunderten von Trampern belagert. Viele Studenten ahnten vielleicht den
Stress, den es
am Abend dann auch gab und verkauften ihre Karten noch an die wartenden Fans.
Diese
hatten somit eine Eintrittskarte zum Club, die
für Nichtstudenten aber nicht galt. Gegen 18.00 Uhr
wurde die massive Holztür im Kellergewölbe eingetreten, ein Barkeeper, der mit
uns die Tür von
innen hielt, wurde durch ein Wurfgeschoss am Kopf schwer verletzt und musste ins
Krankenhaus
gebracht werden.
Die Bereitschaftspolizei mit Hunden klärte dann das Kampffeld. Wir spielten
nicht und hatten einen
frustrierenden Abend an der Bar im Keller des Kasseturms.
Ein Vorfall an
der Hochschule in Weimar.
Die Nachricht ging bis nach ganz oben, nach Berlin. Das konnte es
einfach in
einem sozialistischen
Staat nicht geben.
In
Oederan war eine riesige Menge an Fans versammelt. Wir fuhren vor mit Wolga und
Hänger und
VW Bus. Als wir noch im Auto saßen, schauten die Fans zum Fenster hinein.
Das
werde ich nie vergessen, - ich dachte, wie in einem Aquarium zum Beschau. Dann
wurde
ohne unserem Zutun von unseren Fans die Plane vom Hänger entfernt und die
gesamte Anlage
mit Instrumenten bewegte sich in Wellen auf den Schultern und Köpfen der Menge
zum Eingang
des Saals zu. Jeder ohne Karte dachte, damit kommst du rein. Damit hatten sie
Recht. Nicht ein
Teil der Anlage fehlte dann beim Aufbau. Beim Beginn des Abends standen
mindestens noch so
viele Leute draußen als drinnen im Saal waren. Die Tür hielt den Andrang nicht
ab und
ging in Trümmern. Die Folge davon war ein total überfüllter Saal. Da es vor
der Eingangstür
schlammig und nass war, trocknete dies schnell und im Saal war ein unglaublicher
Dreck und Staub
in der Luft, der sich dann auf allen Gegenständen niederließ. Dreck ohne Ende.
Einzelne Fans
mussten medizinisch versorgt werden, weil der Kreislauf versagte. Uns auf der Bühne
ging es
ähnlich schlecht. Wir waren dieser Situation einfach nicht gewachsen, haben
aber das Beste
draus gemacht und durchgespielt. Diese Szenen wiederholten sich bei unseren
Auftritten.
In
Annaberg, das Jugendclubhaus „Karl Marx“ wurde regelrecht samstags ab dem frühen
Nachmittag belagert, Keller- und Toilettenfenster wurden eingetreten, das
Hausmeisternebengelass
wurde gestürmt um rein zu kommen. Als wir ankamen, sahen wir keine Chance, ohne
größere
Konflikte diesen Abend bestreiten zu können. Es war so nicht möglich. Der
Veranstalter bat uns
wieder abzufahren, um „schlimmeres“ zu vermeiden. Wir fuhren wieder heim
ohne zu spielen.
Dies verstanden unsere Fans nicht und begannen danach erst richtig Randale zu
machen.
Vom
Amt, Kreis- oder Bezirkskabinett, Erlaubniswesen der Polizei gab es nur
Anfragen, warum
so viele Leute unsere Konzerte und Tanzabende besuchen und wie wir das ändern könnten,
d.h. im Klartext, wir sollten das abstellen. Vom Amt kamen keine Vorschläger zur besseren
Organisation der
Tanzabende. Das war absurd. Wir waren doch sehr
froh über diese Resonanz.
Aber wir, als Band, waren damit
völlig überfragt und überfordert. Fredy Lieberwirth und ich wurden
zu Foren
geladen, wie z.B.im Kreis Stollberg Erlaubniswesen oder zur Werkstattwoche Tanzmusik
in Karl
Marx-Stadt
wo wir nach dem Warum und Weshalb dieser Fantreff-Attacken bei Satori befragt
wurden.
Was sollten wir dazu sagen?
In
Karl–Marx-Stadt zur Werkstattwoche der Tanzmusik hatte man uns beide geladen.
Nach dem Frage und Antwortspiel im Forum gab Fredy bekannt, dass es „schwarze
Listen“
von unbeliebten Bands im Bezirk
Karl-Marx-Stadt gibt. Das war ein Eklat! Danach gab es im
Forum keine Fragen mehr, wir waren entlassen! Die Listen gab es wirklich. Satori
stand mit
einigen anderen Bands auf dem Index. Die Veranstalter wurden mit Auflagen
belastet, die sie
nur schwer erfüllen konnten. Eine Ordnungsgruppe von 25 Männern sollte
gestellt werden,
oder man setzte die Saalkapazität halt von 400 auf 150 Personen herunter, was
sich dann
für den Veranstalter nicht rechnete, oder man erfand neue Richtlinien. Satori
musste
verschwinden. Ein offizielles Verbot wollte der Staat nicht riskieren, da man
nach außen in
den 70igern eine offenere Kulturpolitik betrieb als zu Ulbrichts Zeiten. Doch es
gab
Auftrittsverbote in einzelnen Kreisen, wie z.B. im Kreis Annaberg. Ausgesprochen
vom
Erlaubniswesen, auf Grund der o.g. Vorfälle.
Die Kulturkabinette, im Kreis und Bezirk
drückten sich vor der offiziellen
Verantwortung, in dem man einfach eine andere Band zur Werkstattwoche der Tanz- und
Unterhaltungsmusik nach Suhl im Oktober 1976 als Vertreter des Bezirkes
Karl-Marx-Stadt
schickte, obwohl Satori zu dieser Zeit sicher die zugkräftigste Band im Bezirk
war.
Es
fuhr die völlig unbekannte Gruppe „Quirl“, später in „Dialog“
umbenannt. Sie wurde
drei bis vier Wochen vor der Werkstattwoche von der FDJ gecastet und als
Vertreter des
Bezirkes geschickt.
Diese
Maßnahmen zeigten dann auch in der Band Wirkung. Wir waren von alldem
genervt und am Ende dann zerstritten. Nach dem letzten Auftritt in Limbach
Oberfrohna
in der Parkschänke, am 31.07.1977, löste sich Satori auf. Der Saal glich einem
einzigen
Schlachtfeld und Scherbenhaufen. Auf dem Bühnenrand vorne zentimeterhoch
zersplitterte
Biergläser, zerbrochen beim Rhythmusklopfen auf dem Bühnenrand. Im Saal das
gleiche Bild.
Fredy Lieberwirth musste im Kreiskabinett alle Stempel, Registrierkarten,
Unterlagen, alles was
offiziell an Satori erinnerte, abgeben. Die Band, den Namen Satori, sollte es
nie wieder geben.
Natürlich
wollten wir alle weiter Musik machen. Zwei Bands wurden gegründet.
Fredy Lieberwirth gründete „Gipsy“ ( 20.11.1977 ) mit Wilfried Opitz und
Achim Pöschel.
Der andere Teil, Michael Barth, Reinhard Greim, Thomas Weisbach und Wolfgang
Moschner
gründeten die „Wanderer“.( Herbst 1977, erster Auftritt im Februar 1978)
Die „Wanderer“
„Wanderer“ spielten von Herbst
1977 bis Sommer 1989.
Die
Musik war hauptsächlich Folk auf Mandoline, Geige, Flöte und akustischer
Gitarre gespielt,
am Anfang ohne Drum. Später kam ein Drummer dazu. Das Instrumentarium wurde mit
einem
„Fender Rhodes Piano“
erweitert. Es wurde Folkrock gespielt. Viele eigene Titel aber auch Songs
von Simon & Garfunkel und Chris de Burgh waren im Repertoire.
Musiker:
Reinhard Greim voc, Violine, Akkordeon, perc,
Michael Barth, lead git, Mandoline, p, Akkordeon ,
Christoph Rottloff git, fl, voc, Thomas Weisbach b Wolfgang Moschner git voc.
(Wolfgang verließ die Wanderer nach einem Jahr )
Später kamen dazu: Martin Ruppert b voc, Uwe Schäf dr und Klaus Drechsler voc
g.
Technik: Frank Glänzel und Michael
Hösel.
Unser
neues musikalisches Tun wurde von den offiziellen Ämtern sehr genau beobachtet,
denn ein zweites Satori sollte es nicht geben. Sämtliche Termine der
„Wanderer“ mussten
im
Vorfeld beim Erlaubniswesen im Kreis Stollberg gemeldet werden, um mit den o.g.
Maßnahmen weiter gegenzusteuern. Diese zeigten Wirkung. Es wurde etwas ruhiger
bei
den Auftritten. Allerdings kamen noch genug Leute, um weiter im Fokus der Ämter
zu sein.
Vor allem war neu, „Wanderer“ waren politisch engagiert, was sich in den
Texten widerspiegelte.
Die Texte behandelten Themen wie den Umweltschutz, ( verseuchte Luft im
Erzgebirge,
Bäumesterben durch Smok aus der CSSR) Antikriegs- und Antisoldatenlieder, ( alte
Volkslieder
„Ich bin Soldat, doch bin ich es nicht gerne“, „Die Gedanken sind frei“
) und eigene Songs mit
kritischem Text. („Politiker“, „So wie die“) Da gab es ein neues Problem
für die Kreis- und
Bezirkskabinette. Die Band wurde von der Stasi in einem sogenannten Operativen
Vorgang
von 1978 bis 1988 beobachtet. Das
begann, als die „Wanderer“ 1978 beim Kirchenfestival
„June78“ in Rudolstadt spielten. "June 78" war so etwas wie ein
„Woodstock" in der DDR.
Über diese Bands, die diese DDR Szene belebten, und selten oder gar
nicht
in den Medien erwähnt wurden, gibt es jetzt ein Buch. Ich kann es nur
empfehlen, es ist gut geschrieben.
"Geschlossene Gesellschaft"
Die DDR-Rockmusik zwischen Linientreue und Nonkonformismus
von Robert Winter
GRIN- Verlag München
Wenn
jemand noch eine Erinnerungsgeschichte mit Veröffentlichkeitswert zum
Besten geben möchte, bitte schreibt mich an. Wenn´s "rein passt",
bin ich gerne bereit,
das hier auf meiner Seite zu veröffentlichen. Also kramt mal in euren
Erinnerungen...
Bilder folgen.....